Seit ich mein Praktikum hier bei ora international angefangen habe, sehe ich, was sich alles so hinter einer Hilfsorganisation verbirgt. Unter anderem schreibe ich Berichte über unsere vielen Patenkinder. Dabei ist mir aufgefallen, dass besonders in unserem Partnerland Guinea-Bissau, wo wir mit dem Waisenhaus Casa Emanuel zusammenarbeiten, enorm viele Zwillingskinder dabei sind. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, dass das ja kein Zufall mehr sein kann. Prompt habe ich meine Chefin darauf angesprochen und sie hat mir erklärt, dass Zwillinge in Guinea-Bissau als etwas Negatives angesehen werden und deswegen von den Eltern schon kurz nach der Geburt weggegeben werden, oder sehr oft auch einfach getötet werden. Ich war schockiert, das zu hören, denn bei uns in der Schweiz sind Zwillinge ja etwas ganz Normales und ich kann nicht verstehen, warum ein Kind bestraft werden soll, nur weil es ein Zwilling ist. Ich habe dann über dieses Thema recherchiert und mich auch mit unserer Projektpartnerin Josi, die in Guinea-Bissau im Waisenhaus arbeitet, über das Thema Zwillinge ausgetauscht.
Josi hat folgendes dazu berichtet: „In den Köpfen der Einheimischen herrscht immer noch der Glaube, dass Zwillinge verflucht sind. Vor allem in den Dörfern ist das so. Der Fluch lautet, dass wenn Zwillinge geboren werden, einer davon getötet werden muss, weil wenn beide weiterleben, dann das ganze Dorf verflucht wird. Viele Zwillinge werden also getötet.“ Die meisten Volksstämme in Guinea-Bissau sind noch von Naturreligionen abhängig und beschäftigen sich viel mit Voodoo. Daher kommt auch der negative Gedanke gegenüber Zwillingen.
Es gibt aber glücklicherweise ein paar Fälle, in denen die Eltern in die Hauptstadt reisen und dort ihre Zwillinge im Waisenhaus abgeben, um diese Tragödie zu verhindern. Josi berichtet weiter, dass Guinea-Bissau grundsätzlich grosse Fortschritte gemacht hat, denn in der Hauptstadt gibt es schon viel weniger Vorurteile gegenüber Zwillingen, im Vergleich zu den ländlichen Regionen. Obwohl Zwillinge in der Hauptstadt ein normales Leben führen können, gibt es trotzdem immer wieder Leute, die komisch schauen oder Bemerkungen machen. „Ich persönlich glaube, dass Zwillinge ganz normale Menschen sind“, erzählt Josi, die sogar selbst Zwillingsmädchen adoptiert hat. „Wenn ich mit meinen Zwillingen unterwegs bin, passiert es oft, dass mich Leute darauf ansprechen, ob das wirklich Zwillinge sind. Sie können es oft kaum glauben. Andere wiederum starren mich einfach ganz empört an und sagen nichts. Ich hoffe sehr, dass Zwillinge eines Tages einfach ganz in Frieden mit ihren Familien leben können.“
Grundsätzlich sind Zwillinge in Afrika etwas sehr Spezielles, meist im negativen Sinne. Jedoch habe ich bei meiner Recherche herausgefunden, dass beispielsweise in Nigeria, ebenfalls ein afrikanisches Land, Zwillinge als Geschenk Gottes gelten und als Glücksbringer angesehen werden: „Zwillinge werden mit Zuneigung, Liebe und Respekt behandelt. Ihre Geburt ist ein gutes Omen. In vorkolonialer Zeit hingegen galten Zwillinge in der Region als schlechtes Zeichen. Deshalb wurden sie ertränkt oder ausgesetzt. Auch die Mütter wurden häufig getötet. Sie hätten mit zwei Männern geschlafen, so der Vorwurf“ (Agoi: 2007). Na dann hoffen wir mal sehr, dass sich die Meinungen in Guinea-Bissau auch so positiv weiterentwickeln werden!
Ausserdem bin ich bei meiner Recherche über einen weiteren interessanten Artikel gestossen: „Afrikanische Mütter bekommen viermal so oft Zwillinge wie asiatische. Warum das so ist, bleibt bislang ein Rätsel; viele Afrikanerinnen glauben, dass die bei ihnen häufig gegessene Yamswurzel dafür verantwortlich ist, eine Knolle mit einem Inhaltsstoff, der dem weiblichen Hormon Progesteron ähnelt“ (Dörhöfer: 2017). Aus medizinischer Sicht habe man aber noch keine Erklärung dafür finden können. Interessant finde ich das Ganze aber trotzdem. Es fasziniert mich, dass Zwillinge so unterschiedlich wahrgenommen werden. Je nach Ort wird ihre Geburt als gutes Omen gefeiert, oder sie werden als Unheilbringer gesehen. Ich persönlich finde Zwillinge etwas Schönes.
Beitrag geschrieben von: Praktikantin Rebecca
Quellen:
Agoi, Joel Olatunde: Land der Zwillinge im Süden Nigerias (2007), https://www.welt.de/wissenschaft/article1287408/Land-der-Zwillinge-im-Sueden-Nigerias.html (Stand: 8.10.2018)
Dörhöfer, Pamela: Mehr Zwillinge (2017), http://www.fr.de/wissen/geburten-mehr-zwillinge-a-1383300 (Stand: 8.10.2018)