Im dritten Teil unsere Serie über die Bildung in den ora-Projektländern stellen wir Ihnen Indien vor – ein Land, das wegen verbreiteter Kinderarbeit und hoher Armut nicht allen Kindern Bildung ermöglichen kann.
In Indien arbeiten 12 % aller Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren, in absoluten Zahlen sind dies laut UNICEF rund 10.1 Millionen Kinder. Sie sind gezwungen, in Bergminen, auf dem Land, in Häusern, Bordellen und Fabriken zu arbeiten. Die Konsequenz davon ist oft fehlende Bildung und somit die Verwehrung eines besseren Lebens. Unter Kinderarbeit versteht die UNO Formen von Arbeit, wofür Kinder zu jung sind und die sie ihrer Kinderheit berauben. Darunter gehen Arbeiten, die ausbeuterisch oder gefährlich sind oder die die Kinder davon abhalten, die Schule zu besuchen. Der Begriff kann je nach Ansicht legale Arbeit von Kindern mit einschliessen, dieser Artikel richtet sich in jeder Hinsicht an die Formen von Kinderarbeit der UNO-Definition.
Was sind die Gründe für derart erschreckende Zahlen in Indien? Es gibt verschiedene Gründe, wovon die meisten als direkte Konsequenz von Armut erfolgen. Kinder müssen die Familie unterstützen, weil die Einnahmen sonst nicht zum Überleben ausreichen. Vor allem auf dem Land, wo Armut das tägliche Leben bestimmt, ist das Problem der Kinderarbeit weit verbreitet. Haben die Eltern Schulden, werden diese oft an die Kinder vererbt. Im Ergebnis steckt eine ganze Familie mit im Schuldenberg, der nur durch gemeinsame Abarbeit verringert werden kann. Auch unsere Projektkoordinatorin Schwester Ephrem klagt über das Phänomen und betont, dass Kinder wegen der miserablen häuslichen Situation keine andere Möglichkeit sehen. Diese Kinder sind ihrer Bildung und ihrer Hoffnung beraubt und können nichts zur Weiterentwicklung des Landes beitragen. Weitere Ursachen von Kinderarbeit stellen bewaffnete Konflikte, zum Beispiel im Falle von Kindersoldaten, oder Naturkatastrophen dar. Schliesslich ist in Indien Menschenhandel kein marginales Thema, die Regierung schätzte im Jahr 2016, dass rund 20’000 Frauen und Kinder Opfer von Menschenhandel geworden sind. Sie wurden wie Vieh verkauft und zu Arbeit in verschiedenen Bereichen, wie Hausarbeit oder Prostitution, gezwungen. Leider sind die Zahlen an gehandelten Frauen und Kindern in den letzten Jahren angestiegen.
Nun möchte ich kurz auf die Rechtslage in Indien in Bezug auf Bildung und Kinderarbeit eingehen. Es wird sich herauskristallisieren, dass das Problem nicht auf der Seite der Gesetzeslage liegt, sondern auf der Seite der Umsetzung. Die indische Verfassung garantiert das Recht auf Bildung, die unentgeltlich und obligatorisch erfolgen soll. Kinder unter 14 Jahren dürfen nicht in Fabriken oder Minen angestellt werden und Menschenhandel ist verboten. Die Realität sieht anders aus: Laut einer Studie von Transparency International ist Indien die korrupteste Nation in ganz Asien, so mussten fast 60 % der Bevölkerung ein Schmiergeld zahlen, um Zugang zur öffentlichen Schule oder zur Krankenversicherung zu erhalten. Durch die hohe Korruption können die eben erwähnten Gesetze nur zu einem Teil realisiert und umgesetzt werden. Neben der Korruption gibt es noch einen weiteren wichtigen Grund, der der obligatorischen und unentgeltlichen Bildung entgegensteht: Uniformen und Schulmaterialen müssen selbst bezahlt werden, ausserdem werden mit höherer Schulbildung Schulgebühren verlangt. Dies stellt für die Armen ein zusätzliches Hindernis dar.
Schwester Ephrem beschreibt folgende Situation: Die Trennung zwischen Arm und Reich ist deutlich erkennbar und wird unter anderem duch das Kastensystem aufrechterhalten. So gibt es zwei Arten von Schulen, öffentliche und private Schulen. Die privaten Schulen erheben hohe Gebühren und werden ausschliesslich von Reichen besucht. Dort wird auf Englisch unterrichtet, auf diese Weise werden viele Karrieremöglichkeiten erhalten. Die öffentlichen Schulen jedoch sind von minderer Qualität und die vorherrschende Sprache ist Tamilisch, die allgemein als «Sprache der Armen» gilt. Viele dieser Kinder verlassen die Schule zu früh, da ihre Hilfe zu Hause benötigt wird oder die ebenfalls ungebildeten Eltern nicht einsehen, weshalb ihr Kind die Schule überhaupt besuchen soll. Ein Teufelskreis entsteht: Bildung soll Türen öffnen, ohne Bildung steht ein indisches, armes Kind aber oft vor derjenigen Tür, die es schon kennt.
Ora International hilft in vielfältiger Weise, diese verfestigter Armut aufgrund mangelnder Bildung zu bekämpfen: Mit einer Patenschaft wird der Schulbesuch mit der Deckung der Schulgebühren und des Materials ermöglicht. Auch Erwachsenen wird mit Näh- und Computerkursen geholfen, sich fortzubilden. Mädchen werden individuell unterstützt, da in der indischen Gesellschaft ein Mädchen weniger «Wert» hat als ein Junge. Möchten Sie mehr über unsere Projekte in Indien erfahren? Informieren Sie sich hier.
Quellen:
- https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/2015/kinderarbeit/78828
- http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/IND
- http://unicef.in/Whatwedo/21/Child-Labour
- http://lawmin.nic.in/olwing/coi/coi-english/coi-4March2016.pdf
- http://timesofindia.indiatimes.com/india/almost-20000-women-children-trafficked-in-india-in-2016-govt-report/articleshow/57569145.cms
- http://www.indiatimes.com/news/india/india-is-the-most-corrupt-country-in-asia-pacific-two-third-of-all-indians-have-to-pay-bribe-says-transparency-international-272923.html