In unserer ora «aktuell» Frühjahrsausgabe berichteten wir über Oliver Speich, selbständiger Zürcher Notarpatentinhaber und Mediator, und seinem Vorhaben, den härtesten Ultramarathon der Welt zu laufen und damit Spendengelder für notleidende Kinder zu sammeln.
Lesen Sie in diesem Artikel den authentischen Bericht aus dem Blick des Läufers, der mit seinem Lauf bewundernswerte 7’125 Franken sammeln konnte.
„Die Eckdaten sind einfach gesagt: Rund 244 km in 6 Etappen durch die Wüste, teilweise bei einer Hitze von fast 48 °C über Sand, Fels und Stein. Unglaubliche Strapazen, eine wahnsinnige Grenzerfahrung. Dadurch, dass sämtliche Ernährung, Kleider, Schlafsack etc. für eine ganze Woche mitgebracht werden mussten, wog mein Rucksack fast 12 Kilogramm. Das klingt vielleicht zuerst nicht viel, wurde aber mit der Zeit zu einem Gewicht, dass mir sehr zu schaffen machte. Schon während der 1. Etappe kam ich dabei an meine Grenzen. Die ersten 3 Kilometer gingen über Sand, Schotter und Steine. Dann kamen die Dünen. Im Roadbook stand bloss eine kurz Info: „12 km Dunes“. In Wirklichkeit bedeuten Dünen keinen Boden unter den Füssen zu haben, einzusinken, riesige Sandberge hochzulaufen, dann wieder runter. Immer wieder. Ich lief 3 Schritte nach vor und einen zurück. Die Strecke potenzierte sich ins Unermessliche.
Total ausgepowert kam ich zum 1. Checkpoint und wusste, dass die rund 34 km der 1. Etappe noch lange nicht bewältigt waren. Wie ich es geschafft habe, weiss ich heute nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an meinen Entschluss es künftig langsamer anzugehen. Auf den nächsten beiden Etappen teilte ich meine Kräfte besser ein. Eine gute Strategie, mit der ich auch die längste Etappe von 81 Kilometern trotz Höhen und Tiefen sehr gut überstand. Ich kam um 5 Uhr morgens erschöpft im Ziel der 4. Etappe an.
Bis zum nächsten Abend konnten wir Läufer nun etwas Kraft tanken. Den ganzen Tag lang tröpfelten immer wieder Läufer ins Etappenziel. Jeder wurde frenetisch gefeiert. In unserem Zelt hatten wir einen Ausfall. Markus schaffte es nicht ins Ziel und wurde per Helikopter ausgeflogen. So etwas drückt sehr auf die Stimmung.
Trotzdem konnten wir nicht viel Trübsal blasen. Wir benötigten unsere Kraft und einen starken Geist, wo doch der Körper schon mehr als zerschunden war. Aufgrund von Blasen und Blessuren, konnte ich nur mithilfe eines Holzknüppels in meine Turnschuhe schlüpfen. Den einzigen „Schuh“, den ich ohne Schmerzen noch anziehen konnte, war mein Schlafsack. Und ich hatte dabei noch Glück. Denn meine Füsse machten im Grossen und Ganzen gut mit. Andere Teilnehmer hatten keine Zehensohlen mehr und liefen wortwörtlich auf dem Fleisch. Viele mussten ärztlich versorgt werden. Ich werde die schlimmsten Bilder wohl nicht mehr vergessen.
Überleben in der Wüste mit dem Einfachsten, was man selber tragen kann ist nicht ganz einfach. Zum Beispiel war das Kochen mit dem kleinen Esbit-Ofen jedes Mal eine Herausforderung. Bei mir hat jedoch alles gut geklappt, auch die Ernährung. Ich hatte genug mitgenommen. Am Ende des Laufes hatte ich sogar noch ein paar Schokoriegel übrig, die ich an Kinder, die mich nach Essen fragten, verschenken konnte.
Mein Motto „Gegen Kinderarmut“ war für mich ein sehr grosser Ansporn, der mich in den schlimmsten Tiefen durchhalten liess. Immer wieder trafen wir auf einheimische Kinder, die sichtbar in den ärmsten Verhältnissen lebten. Sehr beindruckt hat mich „mein Mädchen“. Ich lief kilometerlang auf einem ausgetrockneten See. Um mich herum Weite, ein Nichts. Auf einmal stand da ein kleines Mädchen vor mir, das die Läufer beobachtete. Und dann drehte es sich auf der Ferse um und rannte, als wär es nichts, weg. Barfuss auf dem heissen Sand. Und wir Läufer, Strapaze hin oder her, wir liefen mit unserem High-tech Equipment, der Überlebensausrüstung und einen Background der uns für den Notfall absicherte. Dieses Mädchen hatte keinen Background, kein Sicherheitsnetz. In keiner Sekunde ihres Lebens.“